Am 24. Februar jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine zum ersten Mal. Es bleibt furchtbar, festzustellen: Wir haben wieder Krieg in Europa. Wir stehen vor der Herausforderung, einen souveränen Staat gegen den Angriff eines Aggressors zu verteidigen und müssen dafür unsere Sicherheitsordnung und Energieversorgung neu aufstellen. Zu Recht hat Olaf Scholz das in seiner Regierungserklärung drei Tage nach Kriegsbeginn eine „Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents“ genannt.
Mit dem russischen Überfall sind schwere Zeiten angebrochen – allen voran für die Ukrainerinnen und Ukrainer, die wir gemeinsam mit unseren Partnern mit allen Mitteln unterstützen. Der Krieg hat globale Auswirkungen, gerade auch auf arme Länder, in denen ausfallende Getreidelieferungen zu Hungersnöten führen. Entgegen der Annahme des Kremls haben sich die Staats- und Regierungschefs von EU und G7 in der Frage der Solidarität mit der Ukraine aber nicht spalten lassen: In den großen Fragen stehen wir eng zusammen und leisten umfassende Hilfe.
Rund eine Million Menschen – überwiegend Frauen und Kinder – sind aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Obwohl die große Zahl der Geflüchteten eine Herausforderung für Kommunen und Behörden darstellt, gelingt die Aufnahme im Großen und Ganzen gut. Das wäre nicht möglich ohne die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich für Geflüchtete zu engagieren. Viele haben Menschen bei sich aufgenommen als Hunderttausende ohne Schlafplatz ankamen. Eine riesige Welle der Solidarität rollte durch unser Land und war sicherlich für viele geflüchtete Familien ein kleiner Lichtblick in einer schrecklichen Zeit. Und sie hält bis heute an!
Ich teile nicht die Ansicht, die Politik von Egon Bahr und Willy Brandt sei zu einseitig gewesen – im Gegenteil, sie hat uns jahrzehntelang Frieden in Europa beschert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir uns in den vergangenen Jahren zu sehr von Russland abhängig gemacht haben und die Anzeichen der Aggressivität Putins nicht ausreichend sehen wollten.
Dadurch hat der Krieg auch dazu geführt, dass die Energie- und Lebenskosten bei uns drastisch gestiegen sind. Es gehörte wohl zu Putins Plan, dass unsere Gesellschaft panisch und irrational reagiert, es ein „Jeder gegen Jeden“ gibt. Doch das ist nicht der Fall. Die SPD-geführte Bundesregierung hält mit Entlastungspaketen in Höhe von fast 300 Milliarden Euro dagegen: Dank der Strom- und Gaspreisbremsen, die seit dem 1. Januar 2023 gelten, beziehen Privathaushalte und Unternehmen nun 80 Prozent ihres Verbrauchs zu einem garantierten, vergünstigten Preis. Sie werden Millionen von Haushalten und Unternehmen merklich helfen. Dank groß angelegter Entlastungen wie dieser schaffen wir es, gemeinsam durch diese Zeit zu kommen.
Für das Jahr 2023 hoffe ich, dass es gelingt, die Waffen endlich zum Schweigen zu bringen. Russland muss sich aus der Ukraine zurückziehen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat angeregt, eine Friedenskonferenz im UN-Hauptquartier in New York abzuhalten. Auch wenn direkte Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine noch unwahrscheinlich sind, könnten die von Kuleba vorgeschlagenen multilateralen Gespräche ein erster Schritt zu einer friedlichen, freien Ukraine sein. Wir werden uns dazu eng mit unseren Partnern abstimmen, um gemeinsam dazu beizutragen, dass es wieder Hoffnung auf Frieden in Europa gibt.
Die Autorin
Aydan Özoğuz ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Zwischen 2001 und 2008 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit 2009 sitzt sie für den Wahlkreis Hamburg-Wandsbek im Deutschen Bundestag.