„Unten – Im Ortsverein“ – Ein Gespräch mit Jan-Christoph Schultchen

Im Interview spricht Jan-Christoph Schultchen über seinen neuen Dokumentarfilm „Unten – Im Ortsverein“.

Weihnachtsfeiern, Jubilarsehrungen, Wahlplakate: Für seinen neuen Film „Unten – Im Ortsverein“ hat der Filmemacher Jan-Christoph Schultchen über mehrere Monate die SPD Bergedorf begleitet. Entstanden ist ein Porträt über die politische Basisarbeit in der SPD.

Die Basis, das sind die rund 10.000 Ortsvereine bundesweit – in Hamburg heißen sie Distrikte. Hier findet ein Großteil der politischen Willensbildung statt, ganz im Sinne des SPD-Organisationsstatuts: „von unten nach oben“. Schultchen wollte wissen, wie es denen geht, die genau dort, nämlich „unten“ aktiv sind. Im Mittelpunkt seines Films stehen weniger die großen politischen Debatten, sondern der Alltag im Distrikt: Weihnachtsfeiern, Ehrungen langjähriger Mitglieder, Wahlkampfaktionen und Sitzungen.

Der politische Alltag an der Basis ist ein eher ungewöhnliches Thema. Was war Dein Ausgangspunkt, diesen Film zu drehen?

Jan-Christoph Schultchen: Ausgangspunkt war mein Eintritt in die SPD – zunächst als Experiment. Als ich im Ortsverein mein Parteibuch abholen wollte, wurden gerade die Listen für die Kommunalwahl aufgestellt. Irgendwann guckten sie alle mich an – also habe ich kandidiert. Dann war ich drin und habe diesem Sog nachgegeben. Ich wollte verstehen, wie das alles funktioniert, habe mir alles angehört und mich schließlich sogar zum Ortsvereinsvorsitzenden wählen lassen.

In einer der vielen Sitzungen dachte ich dann: Wenn jetzt eine Kamera liefe, das ist eine Geschichte, die das Leben schreibt: Was da für Charaktere aufeinanderprallen, was für Weltanschauungen. Und gleichzeitig der Verfassungsauftrag, dass wir uns als Partei um die großen Fragen kümmern: Ungerechtigkeit, Umverteilung, Krieg und Frieden, den Klimawandel. Eine enorme Fallhöhe. Das war der Moment, in dem ich wusste: Das ist ein Filmstoff.

Und wenn man dann auf dem Marktplatz steht und beschimpft wird: „Ihr macht euch doch alle die Taschen voll“, denkt man: Wenn die wüssten, was wir hier leisten! Wie viel unbezahlte Arbeit, wie viel Herzblut in dieser Kommunalpolitik steckt. Ich wollte mit dem Film zeigen, was eine Partei eigentlich ist – und was dort wirklich passiert.

Der Titel heißt „Unten – Im Ortsverein“. Was hat es mit dem „Unten“ auf sich?

Jan-Christoph Schultchen: Im SPD-Statut heißt es: „Die Willensbildung vollzieht sich von unten nach oben.“ Die Basis ist also der Ausgangspunkt. Insofern ist unten eigentlich oben.

Natürlich steckt auch eine zweite Bedeutung darin: Die SPD ist vielerorts am Boden, die Demokratie unter Druck. Aber genau unten liegt auch die Kraft, von der es wieder nach oben gehen kann. Ich wünsche mir, dass wir wieder eine Partei der Dichter, Denker, Handwerker und Künstler werden.

Der Film zeigt nicht nur politische Sitzungen, sondern auch Weihnachtsfeiern, Grillabende, Jubilarehrungen. Warum war Dir das wichtig?

Jan-Christoph Schultchen: Weil das die eigentlichen Sitzungen sind. Die wirklichen Diskussionen finden meist nicht in der Tagesordnung, sondern am Grill oder beim Bier statt – dort, wo man informell redet, Ideen austauscht und sagt: „Lass uns doch mal einen Antrag dazu machen.“

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Du sagst: „Jede Ortsvereinssitzung ist ein Kammerspiel.“ Was meinst Du damit?

Jan-Christoph Schultchen: Manchmal spielen sich dort richtige Dramen ab. Im Ortsverein spürt man, wie die Gesellschaft tickt, wie Politik funktioniert. Es wird gestritten, verhandelt, Kompromisse werden gefunden – ein Abbild der Gesellschaft im Kleinen. Ich war zwei Jahre lang fast überall dabei, um das einzufangen. Daraus ist ein authentisches Stimmungsbild entstanden.

Warum die SPD Bergedorf – ist das typisch oder ein Sonderfall?

Jan-Christoph Schultchen: Ich komme aus Lohbrügge, bin also schnell mit der Kamera vor Ort gewesen. Und Bergedorf ist ein sehr aktiver Teil der SPD mit engagierten Jusos. Aber ganz gleich, ob groß oder klein – aus dem ganzen Bundesgebiet höre ich: „Wir erkennen uns darin wieder.“ Das zeigt, wie ähnlich die Arbeit an der Basis überall ist.

Was hast Du über die Motivation der Aktiven gelernt?

Jan-Christoph Schultchen: Dass sie unglaublich engagiert sind. Viele verlieren Wahl um Wahl – und machen trotzdem weiter. Dieses Durchhaltevermögen, dieser Idealismus hat mich tief beeindruckt. Der Film soll auch das zeigen: dass diese Menschen mit viel Herz für ganz praktische, gute Dinge kämpfen.

Viele Parteien haben mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Wie lässt sich Basisarbeit attraktiver machen?

Jan-Christoph Schultchen: Man muss bereit sein, sich wirklich einzubringen. Wer arbeitet, schreibt, recherchiert, wer sich Expertise erarbeitet und vernetzt, kann tatsächlich etwas bewegen. Aber das braucht Geduld, Ausdauer und ein gutes Team. Die Erkenntnis: Wenn du in einer Partei etwas erreichen willst, geht das. Es ist nur sehr viel Arbeit.

Zur Person:

Jan-Christoph Schultchen
Jan-Christoph Schultchen

Jan-Christoph Schultchen ist Kameramann bei Dokumentarfilmen für ARD und ARTE. Darüber hinaus macht er Corporate- und Imagefilme. Schultchen ist im Vorstand des SPD-Ortsvereins Wentorf im Süden Schleswig-Holsteins und im Kreisvorstand der SPD im Herzogtum Lauenburg.

Veranstaltungstipp: Filmpremiere im Metropolis Kino Hamburg

Am 11. November veranstaltet die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Vorführung des Films mit anschließender Diskussionsveranstaltung im Metropolis Kino. Mit dabei ist neben dem Regisseur auch die Hamburger SPD-Vorsitzende Melanie Leonhard.

  • Wann: Dienstag, 11. November, 18:00 Uhr
  • Wo: Metropolis Kino Hamburg, Kleine Theaterstraße 10

Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist jedoch erforderlich. Jetzt anmelden!

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