„Ummelden, ohne aufs Amt zu müssen“

Wie geht Bürokratieabbau? Jan Pörksen über digitale Behördengänge, künstliche Intelligenz und warum wir lernen müssen, weniger perfekt zu sein

Mit dem Bürokratieabbau ist es so eine Sache. Alle reden darüber, aber nur wenige kommen wirklich voran. Der Hamburger Senat will das ändern und hat sich im Koalitionsvertrag eine Reihe von Projekten vorgenommen, die das Leben in Hamburg einfacher, schneller und digitaler machen sollen. Im Interview spricht Jan Pörksen, Chef der Senatskanzlei über große Hebel, dicke Bretter und darüber, warum Bürokratieabbau neben einer technischen auch eine kulturelle Dimension hat.

Lieber Jan, alle reden über Bürokratieabbau – aber kaum jemand schafft echte Veränderungen. Was macht Hamburg anders?

Jan Pörksen: Uns geht es darum, was wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben: Wir wollen das Leben für die Hamburgerinnen und Hamburger einfacher und unkomplizierter machen. Gerade auch im Umgang mit der Verwaltung. Als Stadtstaat haben wir den Vorteil, dass wir Dinge schnell ausprobieren und dann auf Bundesebene einbringen können. Ein Beispiel: Der von der Bundesregierung beschlossene „Bauturbo“ wurde ganz wesentlich auf Hamburger Initiative hin entwickelt.

Wo kann man in Hamburg am schnellsten und spürbar Bürokratie abbauen? Und wo sind die dicksten Bretter?

Jan Pörksen: Der größte Hebel ist die Digitalisierung der Verwaltung. Da sind wir in Hamburg schon gut aufgestellt, auch wenn wir noch eine lange Strecke vor uns haben. Beispiele aus dem Alltag: Im Bewohnerparkgebiet kann ich für meinen Besuch innerhalb von einer Minute einfach und praktisch digital einen Besucherparkausweis bekommen.

Und man kann sich inzwischen ummelden, ohne aufs Amt zu müssen. Ein Verfahren, das Hamburg für die ganze Republik entwickelt hat und dem sich inzwischen ganz viele Kommunen angeschlossen haben.

Aber Bürokratieabbau bedeutet auch, Regeln infrage zu stellen: Brauchen wir wirklich alle Verfahren so, wie sie sind?

Jan Pörksen: Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein ist mit der neuen Hamburgischen Bauordnung vorangegangen: Ab Januar kann man in Hamburg ein Einfamilienhaus ohne Baugenehmigung bauen. Das glaubt man kaum, ist aber so.

Digitalisierung klingt gut – aber Bürgerinnen und Bürger erleben häufig das Gegenteil: langsame Prozesse, Papierpost und umständliche Identifikationsverfahren. Wo hakt es wirklich?

Jan Pörksen: Digitalisierung muss Schritt für Schritt passieren. Wir haben viele Verfahren schon digitalisiert, aber einige zentrale Elemente fehlen noch: Wir warten alle auf die EU-Wallet, die eine schnelle digitale Identifizierung ermöglicht, oder die Registermodernisierung, damit die Daten laufen und nicht die Bürgerinnen und Bürger von Dienststelle zu Dienststelle müssen. Bei diesen großen Themen sind wir auf den Bund angewiesen, auch finanziell. Wir merken aber auch: oft wissen die Bürgerinnen und Bürger noch gar nicht, was alles digital geht. Daher machen wir gerade eine gezielte Informationskampagne dazu.

Welche Projekte stehen ganz oben auf der Bürokratieabbau-Liste? Was wird den Hamburger*innen zuerst auffallen?

Jan Pörksen: Wir haben einen tollen Workshop mit allen Behörden gemacht und konkrete Projekte gesammelt, die wir jetzt vorantreiben werden. Wir wollen zum Beispiel, dass man einfacher Straßenfeste organisieren kann und dass wir im Welcome Center die Verfahren viel schneller zu Ende bekommen. Gerade bei der Anwerbung von Fachkräften sind wir aber auch auf bundesweite Lösungen angewiesen. Daher führen wir Listen, um genau festzuhalten, wo wir selbst handeln können und wo wir Gesetze im Bund ändern müssen. Wir halten uns ganz streng an den Leitspruch von Melanie Leonhard: „Konkret wird wirksam“.

Viele Fortschritte hängen am Bund. Wie groß ist die Gefahr, dass Hamburg bei der Umsetzung ausgebremst wird?

Jan Pörksen: Wir haben uns mit Digitalminister Wildberger in Berlin getroffen und uns angehört, was er vorhat. Wir haben ihm viel Erfolg gewünscht. Aber wir müssen auch selbst dafür sorgen, dass er und wir alle damit Erfolg haben und nicht alles weggeschliffen wird.

Der Bund hat viel angekündigt, gerade bei der Digitalisierung. Wie gesagt geht es um die EU-Wallet und darum, dass die verschiedenen Register digital miteinander kommunizieren können. Das sind große Projekte, für die wir auch finanzielle Unterstützung brauchen. Wir hoffen, dass aus dem Sondervermögen jetzt das erforderliche Geld fließt.

Die Verwaltung ist eine Seite der Medaille. Aber braucht es zum Bürokratieabbau nicht auch einen Mentalitätswandel?

Jan Pörksen: Wir alle müssen umdenken. Es gibt viele Vorschläge, auch auf unseren Parteitagen, was beim Elterngeld noch alles berücksichtigt werden sollte und wie wir jeden Einzelfall ganz gerecht und richtig lösen. Das Ergebnis ist ein weit über 20-seitiger Antrag, den niemand versteht. Deswegen werden wir, wenn wir schneller und einfacher werden wollen, uns auch damit anfreunden müssen, dass vielleicht nicht mehr jeder Einzelfall ganz genau geregelt werden kann.

Wie schafft man es, dass Regeln nicht immer perfekter, sondern manchmal auch einfach nur praxistauglicher werden?

Jan Pörksen: Regeln, die völliger Quatsch sind, gibt es eigentlich nicht. Aber wir müssen lernen, weniger perfekt zu sein. Bürokratieabbau bedeutet manchmal, den Perfektionismus zugunsten der Praxistauglichkeit zurückzustellen.

Geht es dabei auch um Personaleinsparungen?

Jan Pörksen: Wir haben Schwierigkeiten, alle Stellen zu besetzen. Es geht also überhaupt nicht um Personalabbau, sondern darum, dass wir mit dem vorhandenen Personal viel mehr erledigen können. Und es geht natürlich auch darum, dass wir die Verfahren nicht nur digitalisieren, sondern auch KI-Komponenten einbeziehen, die es einfacher machen. Am Ende entscheidet immer der Mensch. Aber es gibt ganz viele Dinge, die so regelbasiert ablaufen oder wo KI die Entscheidungen so gut vorbereiten kann, dass wir uns das Leben wirklich einfacher machen können.

Was macht Hamburg besser als andere?

Jan Pörksen: Ohne Frage haben wir es als Stadtstaat einfacher. Aber wir haben auch sehr rechtzeitig angefangen. Erstens: Wir haben seit über 20 Jahren ein globales Budget für alle IT-Verfahren und damit auch einheitliche Standards. Zweitens: Wir haben mit Dataport einen gemeinsamen IT-Dienstleister für die norddeutschen Länder und nicht fünf unterschiedliche. Und drittens: Olaf Scholz hat die kluge Entscheidung getroffen, die Digitalisierung ins Rathaus zu holen und damit zur Chefsache zu machen.

Wenn wir am Ende dieser Legislatur zurückblicken: Woran sollen die Hamburger*innen konkret merken, dass Bürokratieabbau funktioniert hat?

Jan Pörksen: Ein Erfolg wäre, wenn die 25 konkreten Vorhaben, die wir uns vorgenommen haben, umgesetzt sind. Erfolg ist für mich aber auch, wenn wir einen selbstverständlichen Umgang mit den Chatbots, die wir in Fachverfahren einführen, gefunden haben. Und schließlich ist Erfolg für mich über Hamburg hinaus, wenn wir uns ganz einfach mit unserem Smartphone identifizieren können, wenn wir den Personalausweis unkompliziert in der Wallet haben – und mit der Verwaltung so einfach digital kommunizieren wie im sonstigen Privatleben auch. Dadurch würden wir uns eine Menge Dinge erleichtern.

Jan Pörksen, Chef der Senatskanzlei Hamburg | Foto: Senatskanzlei Hamburg / Katharina Marten
Jan Pörksen, Chef der Senatskanzlei Hamburg | Foto: Senatskanzlei Hamburg / Katharina Marten

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