Hamburg soll Vorreiterin werden: Mit einem neuen Antrag wollen Engagierte der SPD Hamburg den Artikel 3 der Hamburgischen Landesverfassung erweitern und Parität verbindlich verankern. Das Ziel ist klar: Gleiche Macht für alle – von den Bezirksversammlungen bis zur Bürgerschaft.
Doch Parität ist keine Hamburger Frage allein: sie ist ein Signal für ganz Deutschland. Das bestätigten Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft beim bundesweiten Online-Talk „50/50 – Hamburg nimmt Kurs auf Parität“.
YES zu Parität! – Warum Hamburg vorangeht
Die Hamburger SPD-Projektgruppe TONY – politics created by all lud am 22. September 2025 Stimmen bundesweit zur Diskussion über Gleichstellung in der Politik ein. Die Projektgruppe arbeitet bezirks- und geschlechterübergreifend und verfolgt ein klares Ziel: Gleiche Machtverteilung in der Politik.
Gemeinsam mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und den SPD Frauen Mitte haben die Engagierten von TONY einen Antrag verfasst, der die Verankerung von Parität im Artikel 3 der Hamburgischen Landesverfassung vorsieht. Diskutiert und angepasst haben sie die Inhalte mit verschiedenen Landesarbeitsgemeinschaften, darunter die Jusos, AG Migration & Vielfalt, AG Queer, AG 60+, AG Selbst Aktiv! und AfA. Ergebnis dieser breiten Beteiligung war nicht allein ein Antrag, der viele Perspektiven umfasst und verschiedene Arbeitsgruppen in einem Thema verbindet. Sichtbar war zuletzt auch die breite Unterstützung der Forderung nach Parität: Vier Kreise und drei Landesarbeitsgemeinschaften reichen den Antrag für den SPD-Landesparteitag am 10. Oktober 2025 ein.
Ziel ist, ein Model für ein paritätisches Wahlrecht zu entwickeln – als Antwort auf die zu geringe Präsenz von Frauen in der Hamburger Politik. Zwar liegt der durchschnittliche Frauenanteil laut Gleichstellungbericht 2023 in der Bürgerschaft mit 49 % relativ hoch, jedoch nur aufgrund der freiwilligen internen Quotenregelungen von SPD, Grünen und die Linke. In den Bezirken zeigt sich das Defizit klar: durchschnittlich 38 % Frauen sind in den SPD-Bezirksfraktionen vertreten – in einigen Bezirken liegt die Quote sogar unter 20 %! Die SPD soll die strukturellen Hürden für die politische Teilhabe von Frauen abbauen und so Hamburg als Vorreiterin für Parität in Deutschland etablieren und ein Zeichen für eine gleichberechtigte Gesellschaft zu setzen.
Der Online-Talk „Für eine faire Verfassung“ mit Carola Veit und anderen Stimmen aus Politik und Gesellschaft
Der Online-Talk am 22. September bot eine Plattform, um Parität auf allen politischen Ebenen zu diskutieren und konkrete Schritte zu skizzieren. Die Projektgruppe TONY erläuterte die Zielsetzung des Antrags zur Verankerung von Parität in der Landesverfassung und zeichnete die breite lokale Unterstützung nach.
Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft und Schirmherrin von TONY, verdeutlichte, wie die Hamburgische Landesverfassung als rechtliche Grundlage für die Einführung eines paritätischen Wahlrechts dienen kann.
„Hamburg verfolgt einen klugen Weg, der rechtlichen Hürden progressiv begegnet und gleichzeitig eine breite gesellschaftliche Debatte über Parität anstößt. Denn der Fokus liegt auf einer Verfassungsänderung, die eine verfassungsmäßige Absicherung der Parität ermöglicht und so das Fundament für eine gerechte politische Teilhabe schafft.“
Parität nicht verhandelbar – „Nun sehen Sie mal zu, dass Sie da jetzt vorankommen.“
Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverbands Deutschland, machte in seiner Rede deutlich, dass Parität mehr ist als nur das Einführen paritätischer Wahllisten. Es gehe darum, strukturelle Benachteiligungen zu beseitigen und echte Gleichberechtigung auf allen politischen Ebenen zu schaffen. Für Wicher ist Parität ein Schlüssel zur Bekämpfung von Ungleichheit und Diskriminierung in unserer Gesellschaft. Er schloss seinen Impuls mit dem Ausruf an die Hamburger Politik: „Nun sehen Sie mal zu, dass Sie da jetzt vorankommen.“
Carmen Wegge, Mitglied des Deutschen Bundestages, berichtet, dass auch auf Bundesebene die Frage der Parität eine große Herausforderung bleibt. Sie schilderte, dass die Wahlrechtskommission in den letzten vier Jahren intensiv über Paritätsmodelle beraten hat – jedoch ohne Einigung. Umstritten bleibt vor allem, ob eine gesetzlich verankerte Parität mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Ampelkoalition hat deshalb unterschiedliche Stellungnahmen veröffentlicht. In dieser Legislaturperiode wurde eine neue Wahlrechtskommission eingesetzt, die sich erneut mit der Frage befassen soll, ob und wie Parität auf Bundesebene umgesetzt werden kann.
Besonders dringlich ist das Thema seit der letzten Bundestagswahl: Der Anteil von Frauen ist gesunken, sodass sie nicht einmal mehr eine Sperrminorität bilden können. Selbst wenn sich alle Frauen zusammenschließen würden, könnten sie Entscheidungen nicht blockieren – ein Zustand, der die Rechte von Frauen im Parlament massiv schwächt. Um dem entgegenzuwirken, haben sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode demokratische Abgeordnete parteiübergreifend in einem Gesprächskreis organisiert. Auch diesmal soll dieser Kreis fortgeführt werden: Frauen aus SPD, Grünen, CDU und Linken diskutieren gemeinsam, welche Modelle geeignet wären und welche politischen Mechanismen nötig sind, um Parität im Bundestag langfristig durchzusetzen.
Ein Blick auf die politischen Herausforderungen
Dr. Sabine Bonneck, Bundesvorstandsmitglied der SPD Frauen, unterstrich in ihrem Vortrag die politische Dringlichkeit von Parität. Sie erinnerte daran, dass das Grundgesetz zwar bereits Ansätze für Parität bietet, diese jedoch noch nicht ausreichend umgesetzt sind. Bonneck wies auf die tief verwurzelte, historische Benachteiligung von Frauen hin, die sich in verschiedenen Bereichen wie dem Gender Pay Gap, dem Gender Pension Gap und dem Gender Care Gap klar zeigten.
Die Dringlichkeit von Parität werde auch durch aktuelle politische Debatten und Entwicklungen deutlich: „Ohne Parität ist unsere Demokratie in Gefahr“, fasst Bonneck zusammen und verweist darauf, dass im neuen Bundestag weniger als ein Drittel der Abgeordneten weiblich sei. „Es ist Aufgabe der Parteien, dafür zu sorgen, dass sie gleich viele Männer und Frauen in die Parlamente entsenden.“
Erfahrungen aus Thüringen – Was Hamburg anders macht
Dorothea Marx, Landtagsabgeordnete aus Thüringen, berichtete von der gescheiterten Paritätsinitiative in ihrem Bundesland. 2019 hatte Thüringen ein Paritätsgesetz beschlossen, das jedoch 2020 vom Verfassungsgerichtshof in Weimar gekippt wurde. Das Gericht erklärte, dass das Gesetz gegen die Thüringer Verfassung und die Wahlfreiheit der Parteien verstoße.
Auch der Versuch des Landesfrauenrats, das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht durchzusetzen, scheiterte 2022. Das Gericht entschied, dass die Notwendigkeit paritätischer Wahllisten nicht ausreichend belegt wurde. Hamburgs Plan, Parität über die Verfassung und nicht direkt durch Wahlregeln einzuführen, könne deshalb ein erfolgversprechenderer Weg sein, so Dorothea Marx.
Hamburg als Vorreiterin für Parität
Hamburg zeigt, wie eine Stadt mit politischem Mut und einem klaren Ziel vorangehen kann. Der mit klarer Mehrheit unterstützte Antrag für Parität ist mehr als ein Antrag – er ist ein starkes Signal für die ganze Republik! Wenn Hamburg erfolgreich die Parität in seiner Verfassung verankert, könnte es nicht nur zu einem Vorbild für andere Bundesländer werden, sondern auch ein Beispiel für eine gerechte und gleichberechtigte politische Landschaft auf nationaler Ebene.
Wer mehr über die Projektgruppe TONY – politics created by all erfahren oder sich an kommenden Veranstaltungen beteiligen möchte, kann sich unter tony@spd-hamburg.de melden.
