Gemeinsam gegen den Klimawandel: Die neue transatlantische Allianz

Früher NATO, heute Klima? Wie eine gemeinsame Steuer auf CO2 in Europa und den USA die transatlantische Wirtschaft zum Vorreiter machen könnte.

Wenige Wochen sind seit dem Amtsantritt von Joe Biden vergangen, und auffällig ist die Ruhe, die den neuen Präsidenten umgibt. Nicht dass er nicht reden oder sein Presseteam Journalisten nicht informieren würde. Den Großteil seiner Kommunikation macht jedoch Sachpolitik aus. Persönliche Storys? Beleidigungen? Tweets nachts um halb eins? Fehlanzeige. Das ist verführerisch angenehm und gleichzeitig irreführend.

(Der Artikel erschien erstmals am 1. März 2021 im IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung.)

Denn auch der 46. Präsident der USA sieht sich einer Welt gegenüber, die in Aufruhr ist. Wie bekommen wir die Pandemie in den Griff? Wie geht es weiter in Syrien? Wohin steuert die NATO? Und dann ist da noch China. Bevor Donald Trump an die Macht kam, wollten die USA das vielversprechende Freihandelsabkommen TPP mit den pazifischen Anrainerstaaten explizit ohne China. Trump zog sich kurz nach seiner Wahl von diesem Abkommen zurück. Jetzt gibt es mit RCEP ein viel größeres Abkommen – mit China, aber ohne die USA. Wie soll es hier für die USA weitergehen?

Kampfansage an den Klimawandel

Es sind Fragen, die alle für sich genommen schon Mammutaufgaben sind. Und dann ist da noch ein Thema, das Biden dazu bewegte, innerhalb weniger Tage nach seiner Amtseinführung schon eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen umzusetzen: Er sagt dem Klimawandel den Kampf an. Nachdem er bereits dem Pariser Klimaschutzabkommen beigetreten ist, beginnt er nun die von Trump eingeführten Lockerungen von Umweltrichtlinien wieder rückgängig zu machen. Eine seiner wichtigsten Maßnahmen: den Klimaschutz zum zentralen Element der Außen- und Sicherheitspolitik zu machen. „Wir können es tun. Wir müssen es tun. Und wir werden es tun“, sagte Biden.

Auch Bidens Personalpolitik spricht eine eindeutige Sprache. Mit John Kerry als Sondergesandten des Präsidenten für das Klima hat er ein Zeichen gesetzt. Auch seine Kolleginnen Janet Yellen als Finanzministerin und Deb Haaland als Innenministerin behandeln den Kampf gegen den Klimawandel prioritär und wollen den USA eine wichtige Rolle zuweisen, national wie international. Klimaschutz wird so zum Gegenstand der Außenpolitik, der Diplomatie und der nationalen Sicherheit. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA.

Nach allem, was bisher bekannt ist, scheint in Bidens Team eine gewisse Einigkeit darüber zu herrschen, wie die problematischen CO2-Emissionen gesteuert werden könnten. So soll ein einheitlicher CO2-Preis innerhalb der Produktionsketten der US-Wirtschaft zu einem mächtigen Mittel werden. Damit würde es für Unternehmen attraktiv, mit Unterstützung der Regierung in emissionsärmere Technologien zu investieren, um den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Mut zur Energiewende

Für all diese Pläne braucht Biden eine Menge Mut. Die Liste seiner Klimaschutzmaßnahmen ist lang und wird viele seiner politischen Gegner nicht unbedingt erfreuen. Über 70 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner wollten Donald Trump im Weißen Haus sehen – und mit ihm seine Interpretation von wirtschaftsfreundlicher Umweltpolitik. Biden hingegen will Öl- und Gasbohrungen auf bundeseigenem Land unterbinden. Er plant, Subventionen für Öl und Gasförderung zu kappen. Stattdessen will er bis 2030 die Energiegewinnung aus Windkraft verdoppeln und in Elektrofahrzeuge investieren. „Wir haben schon viel zu lange damit gewartet, die Klimakrise anzugehen. Wir können nicht länger warten. Wir sehen es mit eigenen Augen, wir spüren es in unseren Knochen. Es ist Zeit zu handeln“, sagte Biden.

CO2-Grenzsteuer

Eine attraktive Lösung kann in diesem Zusammenhang die Idee einer CO2-Grenzsteuer (Carbon Border Tax) sein, wie sie in Europa seit fast 15 Jahren immer wieder mal diskutiert wird. Erstmals vom französischen Präsidenten Jacques Chirac vorgeschlagen, wurde die CO2-Grenzsteuer auch von Nicolas Sarkozy aufgegriffen, der 2007 betonte: „Wer schmutzig produziert, muss zahlen.“ Das Projekt einer CO2-Steuer an den Grenzen weckte innerhalb der EU jedoch hauptsächlich Misstrauen. François Hollande brachte sie dennoch – erneut ohne größeren Erfolg – wieder zur Sprache. Auch der amtierende Präsident Emmanuel Macron bekräftigte immer wieder die französische Position.

Die Idee findet nun auch in Brüssel und weiteren EU-Mitgliedsstaaten vermehrt Unterstützung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits 2019 angekündigt, im Rahmen ihres europäischen Green Deal eine „Carbon Border Tax“ einführen zu wollen. Im Frühjahr 2020 startete die EU-Kommission einen Roadmap-Prozess mit dem Ziel, bis 2021 konkrete Gesetzesvorlagen zu entwerfen, und das Europäische Parlament arbeitet aktuell an Beschlussfassungen zu einem „Carbon Border Adjustment Mechanism“.

Die Funktionsweise des CO2-Grenzausgleichs ist auf den ersten Blick ganz einfach: Auf alle importierten Güter werden CO2-Preise erhoben, deren Höhe sich an den in der Herstellung entstandenen CO2-Emissionen bemisst, für die der Produzent im Nicht-EU-Ausland nichts zahlen musste.

Was in Europa als Weg zur Klimaneutralität gilt, ohne der eigenen Wirtschaft zu schaden, müsste in den freiheitsgläubigen USA als geradezu linksradikale Utopie gelten. Trotzdem könnte sich eine Mehrheit für eine CO2-Grenzsteuer finden lassen, da sich hinter dieser Idee völlig entgegengesetzte Positionen versammeln könnten.

Nicht nur linke Klimaaktivisten heißen sie gut, sondern auch protektionistisch angehauchte Globalisierungsgegner, die die amerikanische Wirtschaft vor Dumping-Produkten aus dem Ausland schützen wollen (letztere Gruppe rekrutiert sich sowohl aus dem republikanischen als auch aus dem demokratischen Lager). Die einen wollen das Klima retten, die anderen amerikanische Arbeitsplätze schützen.

Es wundert also überhaupt nicht, dass aus dem US-Kongress bereits seit Jahren Vorschläge auch von Konservativen kommen, die eine CO2-Steuer fordern und gleichzeitig eine CO2-Grenzsteuer für ausländische Produkte. Für Joe Biden könnte hier eine Win-win-Situation liegen. Er könnte nicht nur ehemalige Trump-Wählerinnen und -Wähler ins eigene Lager zurückholen, sondern auch außenpolitisch einen neuen transatlantischen Aufbruch starten.

Grundlage könnte die Idee eines gemeinsamen transatlantischen CO2-Grenzausgleichssystems mit einem Mindestpreis von CO2 sein, welcher in Europa und den USA gilt. Diese Idee hat eine geopolitische Dimension. Eine gemeinsame Initiative könnte zum Nukleus einer intelligenten Klimapolitik werden und damit die transatlantische Wirtschaft zum Vorreiter bei der Bekämpfung des Klimawandels machen. Beide Volkswirtschaften vereinen noch immer 40 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Damit wäre es auch für Drittländer attraktiv, sich dieser transatlantischen Initiative anzuschließen.

Das Zeitfenster ist kleiner, als viele glauben

Der Klimawandel ist eine multidimensionale globale Herausforderung. Daher sollten alle Staaten sich eingeladen fühlen, ein verlässliches multilaterales Abkommen auf die Beine zu stellen, das gemeinsam entwickelten Regeln folgt. Dies wird nicht von heute auf morgen passieren. In der Zwischenzeit sollten Europa und die USA vorangehen. Für die Europäer gilt es, die ausgestreckte Hand des US-Präsidenten zu ergreifen und das Momentum zu nutzen. In den USA finden im kommenden Jahr bereits die Zwischenwahlen (Midterms) statt. Das Zeitfenster für eine konstruktive Neubelebung der transatlantischen Beziehungen ist kleiner, als viele glauben.

Der Autor

Metin Hakverdi ist seit 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestages und vertritt dort Wilhelmsburg, Bergedorf und Harburg.

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