Als Bürgerinnen und Bürger einer Hafenstadt wissen wir in Hamburg längst, was sonst leicht vergessen wird: Unsere Wirtschaft ist global eng vernetzt. Viele Produkte haben tausende Kilometer zurückgelegt, bis sie bei uns im Supermarktregal oder in den Schaufenstern stehen.
Kakao von der Elfenbeinküste, Baumwolle aus Indien, Kaffee aus Brasilien, Kleidung aus Bangladesch, seltene Erden aus dem Kongo, die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Bei Produktion und Handel werden durch Kinder- und Zwangsarbeit, Ausbeutung, Diskriminierung und fehlende Arbeitsrechte entlang der weltweiten Lieferketten immer wieder grundlegende Menschenrechte verletzt. Auch werden immer wieder Umweltstandards untergraben und es kommt zu illegaler Abholzung, Wasser- und Luftverschmutzung.
Internationaler Verantwortung gerecht werden
Unternehmen in Deutschland und Europa müssen deswegen ihrer internationalen Verantwortung endlich gerecht werden. Deutschland ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt, wichtiger globaler Handelspartner und bedeutender Impulsgeber innerhalb der EU. Damit kommt uns auch bei der nachhaltigen Gestaltung von Lieferketten eine besondere Verantwortung zu. Deshalb haben wir uns im Rahmen unserer EU-Ratspräsidentschaft für die Schaffung einer europäischen Lösung stark gemacht.
SPD setzt Lieferkettengesetz durch
Auch bei der nationalen Umsetzung gehen wir voran. Nach zähen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner und zeitweisen Blockaden des Wirtschaftsministeriums hat die SPD, vor allem dank unseres Arbeitsministers Hubertus Heil, nun endlich eine Einigung erzielt. Dass freiwillige Selbstverpflichtung nicht ausreicht, sondern ein verbindliches Gesetz nötig ist, macht das schockierende Ergebnis eines mehrjährigen Monitorings über die weltweite Einhaltung der Sorgfaltspflichten von deutschen Unternehmen deutlich: Nur ein Fünftel aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten kommen bisher ihren Pflichten nach. Deshalb setzen wir mit dem Anfang März vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum Lieferkettengesetz eine wichtige Vereinbarung des Koalitionsvertrags um.
Mit dem Lieferkettengesetz sollen Unternehmen mit Sitz in Deutschland verpflichtet werden zu prüfen, ob sich ihre geschäftlichen Aktivitäten nachteilig auf Menschenrechte auswirken. Sie müssen angemessene Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe ergreifen, Beschwerdemechanismen einrichten und regelmäßig über ihre Aktivitäten berichten. NGOs und Gewerkschaften erhalten die Möglichkeit, Betroffene in Deutschland vor Gericht zu vertreten. Sorgfaltsverletzungen von Unternehmen können gemeldet und geahndet werden. Außerdem werden Sanktionsmaßnahmen inklusive hoher Bußgeldzahlungen möglich. Das Lieferkettengesetz soll ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten gelten.
Der Ehrbare Kaufmann
Unser Wohlstand darf nicht auf Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Ausbeutung beruhen! Auch, wenn wir uns an der ein oder anderen Stelle sogar noch ambitioniertere Regeln hätten vorstellen können, ist das Lieferkettengesetz ein Meilenstein. Damit wird in deutschen Unternehmen zum Standard, was wir in Hamburg schon gut kennen: Der Schutz von Menschenrechten und Umwelt beim Wirtschaften – das Prinzip des Ehrbaren Kaufmanns.
Der Autor
Niels Annen war von 2005 bis 2009 und ist aktuell seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Eimsbüttel. Er engagiert sich vor allem für außenpolitische Themen, war unter anderem Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und ist seit 2018 Staatsminister im Auswärtigen Amt.