Am 10. November 2023 hat der Landesparteitag der SPD Hamburg die 31-jährige Wandsbekerin Laura Frick als Kandidatin für die Europawahl 2024 nominiert. Im Interview betont sie die Bedeutung der kommenden Wahl und umreißt ihre Ziele für Europa.
Liebe Laura, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung als Hamburger SPD-Europakandidatin! In Deiner Vorstellungsrede hast Du gesagt, europapolitische Entscheidungen haben direkten Einfluss auf Hamburg. Was kann Europa ganz konkret für die Menschen in unserer Stadt tun? Und warum braucht es mehr Hamburg in Europa?
In Brüssel beziehungsweise Straßburg wird der Rahmen für die Transformation unserer Wirtschaft hin zu Klimaneutralität und damit auch für die Sicherheit von Arbeitsplätzen gesetzt. Das ist für Hamburg mit seinem Hafen und als größte Industriestadt Nordeuropas extrem wichtig. Um zukunftsfähig zu bleiben, soll der Hafen künftig auch als Drehscheibe für saubere Energien dienen. Dafür muss Hamburg wieder stärker in Brüssel mitreden. Eins muss uns immer wieder bewusst sein: Im globalen Kontext sind Hamburg und Deutschland viel zu klein, um allein mitgestalten zu können. Europa muss hier gemeinsame Kräfte bündeln.
Uns alle in Hamburg betreffen die Entscheidungen auf EU-Ebene, etwa, wenn es um die Bekämpfung von Fake News geht. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben zudem ihre Wurzeln in einem anderen europäischen Land, einen Erasmus-Aufenthalt gemacht oder im EU-Ausland gearbeitet und damit von der Freizügigkeit profitiert. Meine Generation kannte zudem bis vor kurzem keine Grenzkontrollen und wir alle zahlen ganz selbstverständlich in den meisten EU-Ländern mit dem Euro.
Welche Entscheidungen trifft das EU-Parlament überhaupt? Wie können Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene verbessert werden?
Das Parlament ist als Co-Gesetzgeberin in fast allen Politikbereichen gleichberechtigt mit dem Rat der EU – also den Fachminister:innen der Mitgliedsländer – an der Gesetzgebung beteiligt. Die 705 Abgeordneten aus den 27 Mitgliedsländern haben also einen bedeutenden Einfluss auf europapolitische Entscheidungen. Ohne die sozialdemokratischen Mitglieder im Europäischen Parlament gäbe es zum Beispiel nicht die Europäische Mindestlohnrichtlinie, die Mindestlöhne armutsfest und die Tarifbindung erhöhen wird. Und auch das Europäische Lieferkettengesetz geht auf eine Sozialdemokratin zurück: Laura Wolters aus den Niederlanden. Das Europäische Parlament dient zudem auch als Korrektiv für die nationalen Regierungen, die in jüngster Vergangenheit immer rechts-konservativer bis rechter wurden.
Um Entscheidungsprozesse demokratischer zu gestalten, sollte es dem Parlament endlich möglich sein, selbst Gesetze initiieren zu können. Außerdem muss das Trilogverfahren – eine Art Vermittlungsausschuss, wenn Rat, Kommission und Parlament nicht im regulären Verfahren zu einer Einigung kommen – transparenter gestaltet werden. Denn eigentlich war das Verfahren nur für Ausnahmefälle vorgesehen, mittlerweile ist es die Regel – ohne dass dabei klar ist, welche Akteure, auch außerhalb der Politik, wie stark Einfluss nehmen.
Das Wachstum rechter und demokratiefeindlicher Parteien fast überall in Europa macht Sorgen. Was können wir Hass, Hetze und Spaltung entgegensetzen?
Die SPD zeichnet sich seit 160 Jahren durch eine klare Brandmauer gegen rechts aus. Mir ist wichtig, dass wir nicht die Narrative der Rechten übernehmen und uns nicht treiben lassen. Die Wahl in Polen hat gezeigt, dass mit klarer Kante und eigenen Themen die Rechten auch wieder kleiner gemacht werden können.
Gleichzeitig sollten wir auch schwierige Themen stärker angehen. Viel zu lang haben wir uns in Deutschland auf dem Dublin II-Verfahren ausgeruht, das die Verantwortung für Geflüchtete einseitig auf die Staaten an den EU-Außengrenzen abwälzt. Deswegen brauchen wir eine solidarische Flüchtlingspolitik, die für die Kommunen tragbar ist und gleichzeitig menschenwürdig ist.
Und wir müssen die Bedeutung eines starken Europas wieder greifbarer machen – und zwar auf allen Ebenen. Auch in Berlin darf es künftig nicht mehr heißen: „Wenn es gut läuft, war es Berlin. Wenn es schlecht läuft, war es Brüssel.“
Wie kann es gelingen, die Menschen wieder stärker für die europäische Idee zu begeistern?
Europa lebt vom Austausch. Mich haben zum Beispiel Interrail, die Begegnung mit jungen Polinnen und Polen im Rahmen eines Schulaustauschs und das Laufen des portugiesischen Jakobswegs „europäisiert“. Ich finde, wir müssen noch vielmehr in den Jugendaustausch investieren.
Gleichzeitig müssen wir uns alle immer wieder bewusst machen, dass die Europäische Union unseren Kontinent freier, demokratischer und auch wirtschaftlich stärker gemacht hat. Frieden in Europa ist nicht naturgegeben. Das zeigen die „Jugoslawien-Kriege“ in den 1990er Jahren, zuletzt vor allen Dingen aber auch der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die Europäische Union steht also für Sicherheit und Hoffnung – diesen Anspruch müssen wir gerecht werden.
Für welche EU-Themen wünschst Du Dir mehr Aufmerksamkeit?
Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass wir sozialen Zusammenhalt stärker als bisher als Gemeinschaftsaufgabe begreifen müssen. Dafür braucht es eine starke Sozialdemokratie: Denn für uns gehen wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlicher Zusammenhalt Hand in Hand.
Mir ist wichtig, dass wir uns ehrlich machen, wie unsere Gemeinschaft in fünf, zehn oder 15 Jahren aussehen soll. Die Europäische Union hat sich stetig weiterentwickelt und auch erweitert. Um handlungsfähig – nach innen und außen – zu sein und den Staaten des westlichen Balkans eine konkrete Beitrittsperspektive aufzeigen zu können, braucht es den Mut für eine Vertragsänderung: Sozialer Fortschritt muss zentrales Ziel der EU und vertraglich verankert sein. Außerdem müssen wir das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat abschaffen. Und ich stehe dafür ein, Politikfelder wie Energiepolitik und Entwicklungszusammenarbeit stärker zu europäisieren.
Bonusfrage: Was würdest Du Gästen aus anderen EU-Ländern in Hamburg zeigen?
Es gibt so viele schöne Dinge in Hamburg zu sehen, aber ein Besuch der Elbphilharmonie-Plaza bei Sonnenuntergang und danach Fisch essen in einem der zahlreichen Restaurants im Portugiesenviertel darf nicht fehlen.
Ich sehe, dass die Rentner und Rentnerinnen durch die jetzige Politik finanziell abgehängt werden. Wen ich mir die Preiserhöhungen sowie im nächsten Jahr fehlenden Zuschüsse zu den Energiekosten ansehe wird es langsam schwierig, die Kosten zu stemmen. Was gedenkt die Partei denn hier zu unternehmen?
Durch die massiv gestiegenen Energiepreise ausgelöst durch den Russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist es für viele Menschen – sowohl Rentnerinnen und Rentner als auch Arbeitnehmenden – in den letzten Monaten sehr schwer gewesen, da gebe ich Ihnen recht.
Zum 1. Juli gab es zumindest – auch dank der SPD – eine Rentenerhöhung. Das folgt dem Grundsatz, dass die Renten auch der Lohnerhöhung folgen soll. Es war zudem wichtig, dass die SPD dafür gesorgt hat, dass es eine Energiepreisbremse gibt. Jetzt – wo zum Glück die Inflation wieder sinkt – ist es wichtig, dass wir in die Zukunft investieren, damit wir auch dann noch gute Arbeitsplätze haben. Und – als Tochter einer Altenpflegerin – ist es für mich sehr wichtig, dass wir uns als SPD für eine faire Bezahlung einsetzen, damit alle Menschen, die arbeiten, auch eine vernünftige Rente bekommen. Ich finde, Hubertus Heil macht da einen super Job und die SPD darf da auch nicht nachlassen.