Fakten zur Köhlbrandbrücke und den Planungen zur neuen Köhlbrandquerung

Der Fachsprecher für Wirtschaft der SPD-Bürgerschaftsfraktion beantwortet in diesem Factsheet die aktuell diskutierten Fragen zur Zukunft der Köhlbrandbrücke.

Die Köhlbrandbrücke bewegt derzeit viele Gemüter. Für viele Hamburgerinnen und Hamburger ist die Köhlbrandbrücke ein stolzes Wahrzeichen, aber für den Hafen und die Hamburger Wirtschaft ist sie noch viel mehr – sie ist seine lebenswichtige Schlagader. Der Bau der Köhlbrandbrücke 1974 hat eine strategische Entwicklung großen Ausmaßes angestoßen, insbesondere im Westen des Hamburger Hafens mit drei von vier Containerterminals. Ohne die Brücke wäre der Hafen heute ein anderer.

Der Hamburger Hafen erfüllt eine wichtige Funktion für die gesamte Bundesrepublik Deutschland und durch die stetig zunehmende Bedeutung des Seeverkehrs sind die Verkehre über die Köhlbrandbrücke enorm gestiegen. Die Erbauer der Brücke konnten nicht vorhersehen, wie enorm hoch die Verkehrslast, insbesondere durch den Lkw-Verkehr, auf die Brücke sein würde. Ebenso wenig konnten sie erahnen, wie groß die Schiffe werden würden, die darunter durchfahren.

In der aktuellen Debatte werden Meinungen und Fakten durcheinander geworfen. Für die Planung übergeordneter Infrastrukturprojekte dürfen die persönliche Ästhetik oder der Denkmalschutz nicht als alleinige Bewertungskriterium angewendet werden. Eine nüchterne und sachliche Auseinandersetzung ist dringend notwendig.

Dieses Factsheet stellt im Folgenden die grundlegenden Informationen und den aktuellen Stand der Diskussion zusammen.

Der aktuelle Zustand der Köhlbrandbrücke

Die Köhlbrandbrücke ist ein Zweckbau mit einer klaren Funktion. Sie soll die Terminals des Hamburger Hafens an das Straßennetz anbinden und eine schnelle Zuwegung zur A7 ermöglichen. Seit der Inbetriebnahme vor knapp 50 Jahren haben sich die Anforderungen an die Hafeninfrastruktur und die Belastbarkeit des Bauwerks stark verändert. Ursprünglich war die Köhlbrandbrücke nicht darauf ausgelegt, diese Verkehrsmengen zu bewältigen.

Gemäß den Empfehlungen eines Gutachtens der TUHH wurde von der Hamburg Port Authority AöR (HPA) von 2009 bis 2016 ein Grundinstandsetzungsprogramm durchgeführt. Diese Maßnahmen haben insgesamt 60 Mio. Euro gekostet.

Im Jahr 2012 wurde die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit der Brücke gemäß der Nachrechnungsrichtlinie für bestehende Straßenbrücken überprüft. Die Richtlinie ermöglicht es Straßenbrücken, die nicht nach den aktuell gültigen Normen geplant und errichtet wurden, besser zu bewerten.

Gemäß der DIN 1076 werden neben der kontinuierlichen Beobachtung der Bauwerkssubstanz auch regelmäßige Bauwerksprüfungen für den Unterhaltungsaufwand durchgeführt. Seit Inbetriebnahme der Brücke finden jährlich Prüfungen des Bauwerks unterschiedlichen Umfangs statt. Alle drei Jahre wird eine große Hauptuntersuchung (der sogenannte „Brücken-TÜV“) durchgeführt.

Durch diese Untersuchungen liegen heute deutlich aktuellere und präzisere Daten über den Zustand der Köhlbrandbrücke vor, die eine neue Beurteilungsgrundlagebilden.

Bauwerksprüfungen und Nachrechnungen haben ergeben, dass die Köhlbrandbrücke in den kommenden Jahren sukzessive das Ende ihrer technischen und wirtschaftlichen Nutzungsdauer erreichen wird. Eine kostenintensive Sanierung mit verkehrlichen Einschränkungen bis hin zu Vollsperrungen ist aus hafenwirtschaftlicher Sicht inakzeptabel. Die negativen Auswirkungen wurden bereits bei der Grundinstandsetzung beobachtet.

Die Ergebnisse der Prüfungen der letzten Jahre sprechen eindeutig gegen eine weitere Sanierung, die lediglich das unausweichliche Ende der Brücke hinauszögern, aber nicht verhindern würde. Stattdessen spricht alles dafür, ein neues Bauwerk zu errichten.

Auswirkungen der Brücke auf die Hafenwirtschaft

Die Köhlbrandbrücke bietet eine Durchfahrtshöhe von 55,3 m bei Niedrigwasser und51 m bei Hochwasser. Moderne Großcontainerschiffe benötigen aber eine Durchfahrtshöhe von mehr als 60 Metern. Die Köhlbrandbrücke stellt also ein Höhenhindernis für solche Schiffe dar. Damit können Umschlags- und Entwicklungspotenziale im Hafen nicht vollständig ausgeschöpft werden. So kann zum Beispiel das effizienteste Terminal im Hamburger Hafen – das Containerterminal Altenwerder(CTA) – nicht von den größten Containerschiffen angefahren werden.

Um die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens zu stärken, ist der Neubaueiner Querung des Köhlbrands auch hafenwirtschaftlich geboten.

Machbarkeitsstudie 2018

Im Jahr 2018 wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die die Varianten Brücke, Bohrtunnel und Absenktunnel untersuchte. Dabei wurden neben der Ermöglichung von Gefahrgut- und Großraumtransporten und der optimalen Anbindung an das Straßennetz auch ein Rad- und Fußwegekonzept berücksichtigt.

Brücke: Die aktuelle Köhlbrandbrücke ist aufgrund fortschreitender Materialermüdung technisch und wirtschaftlich kaum mit vertretbarem Aufwand zu sanieren. Sie stellt zudem ein Höhenhindernis dar, das den Zugang für Großschiffe in den südlichen Hafenbereich einschränkt. Auch ein Brückenneubau würde die Durchfahrtshöhe für Schiffe beschränken und kann nicht auf die künftigen Entwicklungen im Schiffbau angepasst werden.

Bohrtunnel: Ein Tunnel hat gegenüber einer Brücke relevante Vorteile. Er zeigt eine größere Resilienz gegenüber äußeren Einflüssen, verfügt über eine höhere Robustheit in der Nutzung und hat Vorteile in der Trassierung durch geringere Höhenunterschiede und damit kürzere Rampenbereiche. Ein Tunnel würde die uneingeschränkte Höhenfreiheit für die Schifffahrt im Bereich des Köhlbrandsherstellen, was langfristig eine größere Gestaltungsfreiheit bei der Entwicklung dessüdlichen Hafenbereichs sichern und damit strategische Vorteile bieten würde. Angesichts dieser Vorteile wurde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie von 2018 der Bohrtunnel als Vorzugsvariante identifiziert.

Absenktunnel: Ein Absenktunnel kommt im Wesentlichen aufgrund einer weniger vorteilhaften Bewertung (u.a. „Bau und Betrieb” sowie „Ökologie”) nicht in Betracht.

Ergebnisse der Vorplanung

Im Rahmen der Vorplanung wurde eine umfassende Untersuchung und Bewertung von Trassenvarianten unter Berücksichtigung der Richtlinien zum Planungsprozess und für die einheitliche Gestaltung von Entwurfsunterlagen im Straßenbau des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr durchgeführt. Die Vorzugsvariante “Tunnel” wurde aus diesem Entwicklungsprozess abgeleitet.

Der Tunnelabschnitt ist planerisch auf eine Nutzungsdauer von 130 Jahren ausgerichtet. Technisch sind die erforderlichen Planungsparameter wie beispielsweise Fahrbahnbreiten, Radien und Tunnelquerschnitte so bemessen, dass die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit künftiger Bedarfs- und Nutzungsszenarien abgedeckt werden können. Hiervon umfasst ist auch die Option einer möglichen Aufstufung als überregionale Fernstraße in der Baulast des Bundes zu einemspäteren Zeitpunkt.

Für den Bau des Köhlbrandtunnels werden Änderungen und Zusätze an den Verkehrsführungen benötigt, um Bahnverkehr und Hauptverkehrsstraßen zu kreuzen. Aus diesen Anpassungen, in Verbindung mit den detaillierteren Baugrunderkenntnissen, ergab sich für einzelne ergänzende Streckenabschnitte in der Verkehrsanlage Ost, dass anstelle von Dämmen baulich aufwendigere Brückenhergestellt werden müssen.

Ausblick auf das weitere Vorgehen

Das Projekt zum Ersatzneubau bewertet der Senat wegen der Ergebnisse aus der Vorplanung der Tunnelvariante und der daraus resultierenden Kostenschätzung derzeit neu. Eine Fortführung der Planung für den Bohrtunnel einschließlich der ergänzenden Bauwerke in der bisherigen Konfiguration ohne Prüfung alternativer Optionen ist nicht angezeigt. Insbesondere gilt es, die Vor- und Nachteileunterschiedlicher Umsetzungsvarianten zu prüfen. Mehrere – auch angepasste Tunnelvarianten – sind denkbar.

Es ist somit beabsichtigt, so schnell wie möglich eine belastbare Grundlage zu schaffen, um die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Querungsvarianten abzuwägen und zu entscheiden, mit welcher Bauwerksvariante die Planungen fortgeführt werden können. Im nächsten Schritt soll geprüft werden, ob sich durch eine andere bauliche Konstruktion des Tunnels und der ergänzenden Bauwerke die Kosten reduzieren lassen. Des Weiteren wird der heutige Kenntnisstand auf die im Rahmen der Machbarkeitsuntersuchung betrachtete Brückenalternative übertragen und eine Kostenindikation vorgenommen. Es ist also möglich, dass diese Alternativen jetzt praktikabler oder kosteneffizienter sein könnten.

Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Anbindung des Hamburger Hafens an das überregionale Straßennetz wirtschaftlich äußerst bedeutsam. Deshalb ist auch der Bund an einer dauerhaft leistungsfähigen Köhlbrandquerung sehr interessiert. Folglich haben der Bund und Hamburg am 13. Februar 2020 eine Absichtserklärung geschlossen. Diese regelt u.a. die Aufstufung der Köhlbrandquerung zur Bundesstraße als Ortsdurchfahrt und stellt für deren Erneuerung eine anteilige Zuwendung des Bundes nach § 5a Bundesfernstraßengesetz in Aussicht. Der Senat hat die jetzt anstehenden Schritte mit dem Bund besprochen und so Transparenzhergestellt, denn der Bund soll sich an der Finanzierung der neuen Köhlbrandquerung beteiligen.

FAQ

Warum erfährt man erst jetzt von dem möglichen Abriss der Köhlbrandbrücke? Ist das Projekt bisher geheim gewesen?

Die Probleme der Köhlbrandbrücke sind seit Jahren bekannt und immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte. Über einen möglichen Abriss und Neubau wird ebenfalls seit Jahren diskutiert. Dies zeigt zuletzt auch die Machbarkeitsstudie und die aktuelle Drucksache 22/12110 in der Bürgerschaft. Die Drucksache und die Antwort der Senatorin für Wirtschaft und Innovation bieten eine detaillierte und technische Darstellung des Projekts und der Herausforderungen. Die Behauptung, dass es an Transparenz mangelt, ignoriert die Fülle an Informationen zur Verfügung stehen.

Wie ist das TUHH-Gutachten aus dem Jahr 2008 zu bewerten?

Das Gutachten der TUHH aus 2008 empfiehlt neben baulichen Maßnahmen auch die Durchführung ergänzender rechnerischer Überprüfung. Beides wurde bereits umgesetzt. Deshalb ist das Gutachten aus 2008 keine geeignete Grundlage für die weiteren Planungen.

Gemäß den Empfehlungen des Gutachtens der TUHH wurde von 2009 bis 2016 ein Grundinstandsetzungsprogramm durchgeführt. Diese Maßnahmen haben insgesamt60 Mio. Euro gekostet.

Auf welcher Grundlage wurden die ursprünglichen Kosten für die Vorzugsvariante des Tunnels geschätzt und warum unterscheiden sie sich von den aktuellen Schätzungen? Welche Faktoren haben zu den erhöhten Kostengeführt?

Bei Großprojekten dieser Art können immer wieder Kostensteigerungen auftreten, insbesondere wenn neue Informationen über den Baugrund und andere technische Herausforderungen bekannt werden.

Die ursprünglichen Kosten wurden auf der Grundlage verschiedener Faktorengeschätzt, darunter die erwarteten Kosten für den Tunnelabschnitt, die Anschlussknoten West und Ost, den Rückbau der Köhlbrandbrücke und die Kampfmittelbeseitigung. Die Kosten für den Tunnelabschnitt wurden hauptsächlich durch die Beschaffenheit des Baugrunds bestimmt.

Welche alternativen Optionen wurden in Betracht gezogen und warum wurden sie verworfen? Könnten diese Alternativen jetzt praktikabler oderkosteneffizienter sein?

Brücke: Die aktuelle Köhlbrandbrücke ist aufgrund fortschreitender Materialermüdung technisch und wirtschaftlich kaum mit vertretbarem Aufwand zu sanieren. Sie stellt zudem ein Höhenhindernis dar, das den Zugang für Großschiffe in den südlichen Hafenbereich einschränkt. Eine alternative Brückenplanung wurde im Rahmen der Vorplanung nicht weiterverfolgt.

Bohrtunnel: Ein Tunnel hat gegenüber einer Brücke relevante Vorteile. Er zeigt eine größere Resilienz gegenüber äußeren Einflüssen, verfügt über eine höhere Robustheit in der Nutzung und hat Vorteile in der Trassierung durch geringere Höhenunterschiede und damit kürzere Rampenbereiche. Ein Tunnel würde die uneingeschränkte Höhenfreiheit für die Schifffahrt im Bereich des Köhlbrands herstellen, was langfristig eine größere Gestaltungsfreiheit bei der Entwicklung dessüdlichen Hafenbereichs sichern und damit strategische Vorteile bieten würde. Angesichts dieser Vorteile wurde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie von 2018 der Bohrtunnel als Vorzugsvariante identifiziert.

Absenktunnel: Ein Absenktunnel kommt im Wesentlichen aufgrund einer weniger vorteilhaften Bewertung (unter anderem „Bau und Betrieb” sowie „Ökologie”) nicht in Betracht.

Welche Kriterien werden verwendet, um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Querungsvarianten zu bewerten? Wie wird die Entscheidung letztendlich getroffen?

Technische Aspekte: Ein Tunnel zeigt eine größere Resilienz gegenüber äußeren Einflüssen, verfügt über eine höhere Robustheit in der Nutzung und hat Vorteile in der Trassierung durch geringere Höhenunterschiede und damit kürzere Rampenbereiche.

Ökologische Auswirkungen: Die ökologischen Auswirkungen des Baus der neuen Köhlbrandquerung als Bohrtunnel wurden berücksichtigt und es wurde geprüft, wie diese minimiert werden können.

Kosten: Die Kosten für den Bau und den Betrieb der verschiedenen Querungsvarianten sind ein wichtiger Faktor bei der Bewertung.

Zukünftige Bedarfs- und Nutzungsszenarien: Die Planungsparameter sind so bemessen, dass die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit künftiger Bedarfs- und Nutzungsszenarien abgedeckt werden können. Dies umfasst auch die Option einer möglichen Aufstufung als überregionale Fernstraße in der Baulast des Bundes zu einem späteren Zeitpunkt.

Der Autor

Hansjörg Schmidt ist seit 2011 Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, seit 2015 ist er dort Fachsprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion für Medien, Wirtschaft und Innovation.

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