Das vergangene Jahr hat viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung und Behörden, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, Hauptamtliche in der Gesundheitsversorgung, der Flüchtlingshilfe und in den Schulen an den Rand der Belastungsfähigkeit gebracht. Ein System, das auf vielleicht 150.000 Flüchtlinge ausgelegt war, musste von jetzt auf gleich den Zuzug von etwa einer Million Geflüchteter bewältigen. Sie alle haben einen großartigen Job gemacht, auf den man – hier passt es einmal – stolz sein kann.
Doch trotz aller Anstrengungen brauchen wir dennoch vor allem Geduld.
Geduld und Verständnis
Das gilt zum Einen für die Geflüchteten selbst. In meiner beruflichen Tätigkeit sitze ich regelmäßig Menschen gegenüber, die im August 2015 nach Deutschland gekommen sind, ihren Asylantrag erst im Januar stellen konnten und bis heute immer noch nicht zu ihren Fluchtgründen angehört wurden. Oder Asylsuchenden aus Somalia, deren Anhörung zwar schon 15 Monate zurückliegt, die aber bis heute noch keinen Bescheid erhalten haben. Sie wollen Gewissheit und endlich loslegen können und brauchen doch immer weiter Geduld und Verständnis dafür, dass es im Moment eben noch nicht schneller geht.
Beispiel: #UHHhilft
Das gilt aber auch für all diejenigen, die sich für die Integration der Geflüchteten engagieren. Ein Beispiel: Die Uni Hamburg hat sich sehr schnell auf den Weg gemacht und mit dem Programm #UHHhilft ein Angebot zur Studienvorbereitung für studierwillige Flüchtlinge entwickelt. Im Wintersemester haben 538 Geflüchtete an diesem Programm teilgenommen. 243 von ihnen haben mitgeteilt, das Programm im Sommersemester fortsetzen zu wollen. Von sechs Personen ist bekannt, dass sie einen regulären Studienplatz bekommen haben. Ist das Programm angesichts dieser Zahlen erfolgreich? Ja! Aber die Zahlen zeigen auch, dass der Weg zur Integration häufig länger ist, als die Geflüchteten selbst und einige UnterstützerInnen sich das erhofft haben. Gerade im Hinblick auf ein Studium, aber auch im Bereich des Arbeitsmarktes stellt dabei die Sprache die größte Hürde dar. Für ein Studium benötigt man das Niveau C 1 – etwas, das auch die Begabteren nicht einfach so in sechs Monaten aus dem Ärmel schütteln können.
Vieles wird Zeit brauchen
Alle Beteiligten müssen sich bewusst machen, dass die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen geschieht – und nicht mit einer Arbeitsmigration verwechselt werden darf. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um die Integration unserer neuen Nachbarn voranzutreiben, keine Frage. Aber vieles wird Zeit brauchen. Engagement und Geduld sind Dinge, die wir gleichzeitig aufbringen müssen.
Der Autor
Uwe Giffei ist Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und sitzt dort im Wissenschafts, Schul- und Sozialausschuss. Seit 2002 ist er Mitarbeiter einer kirchlichen Flüchtlingsberatungsstelle. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen berät und vertritt er dort Asylsuchende und Geduldete in ihren aufenthaltsrechtlichen Verfahren.