Schule in der Corona-Pandemie: Hamburgs Schulpolitik geht auf Nummer sicher

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe über die aktuelle Schulpolitik in Zeiten der Corona-Pandemie.

Schule, immer wieder Schule! Man wundert sich, mit welcher Leidenschaft ein Thema diskutiert wird, das aus medizinischer Sicht nicht die größte Gefahr der Corona-Krise ist: 89 Prozent der Corona-Toten sind über 70 Jahre alt, 0,04 Prozent dagegen unter 20. Trotzdem drehen sich gefühlte 89 Prozent der politischen Diskussionen um die Schulen, während wir die stark gefährdeten älteren Menschen aus dem Blick verlieren. Ist das wirklich klug?

Zu den Fakten

Kinder infizieren sich selten, Jugendliche dagegen fast so häufig wie Erwachsene. Schwere Krankheitsverläufe bei Kindern und Jugendlichen sind äußerst selten. Aber sie können andere mit dem Virus anstecken. Schulschließungen sollen deshalb vor allem die Verbreitung der Krankheit vermeiden. Gerade jetzt führt angesichts der möglichen Gefahren des England-Virus vermutlich kein Weg an Schulschließungen vorbei.

Leider sind die Infektionswege unter Schülerinnen und Schülern kaum erforscht. 80 Prozent der zwischen den Sommer- und den Herbstferien mit Corona infizierten Hamburger Schülerinnen und Schüler hatten sich mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht in der Schule, sondern außerhalb der Schule infiziert. Sehr seltsam: In rund 150 Schulen lernten Infizierte tagelang, ohne ihre Mitschülerinnen und Mitschüler anzustecken. Aber in 15 Schulen gab es solche Übertragungen, in vier Schulen sogar sehr starke Infektionsketten. Warum das so ist – das ist bislang eines der Rätsel des Schulbetriebes.

Unerforscht ist auch das Risiko der Schulschließungen. Sicher ist: Wer allein lernen muss, braucht einen störungsfreien Lernort, einen Computer, Internet – aber vor allem Konzentration, Ausdauer, Selbstdisziplin und Organisationstalent. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob 40 oder 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler diese Voraussetzung erfüllen. Sicher ist: Alle sind es nicht. Gerade Jüngere oder Kinder und Jugendliche mit Konzentrations- und Lernproblemen sind auf Hilfe, Unterstützung und Motivation angewiesen.

Viele Eltern sind jedoch doppelt berufstätig, in 26 Prozent aller Familien wird zu Hause kein Deutsch gesprochen. Und vermutlich leben viele Jugendliche in engen Wohnungen ohne eigenes Zimmer. Man darf sich deshalb Sorgen machen, dass Schulschließungen tiefe Spuren bei jenen hinterlassen werden, für die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns besonders engagieren.

Tut Hamburg genug für die Sicherheit an den Schulen?

Hier ist es an der Zeit, mit einigen Facebook- und Twitter-Legenden aufzuräumen. Denn anders als behauptet hält sich Hamburg in allen Bereichen – gerade in der Schulpolitik – sehr genau an die Beschlüsse der 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Kanzlerin. Andere Länder tanzen aus der Reihe, öffnen die Schulen häufiger oder weiter als vereinbart, wir nicht. Wir halten uns an die Regeln, weil wir das auch von den Bürgerinnen und Bürgern verlangen. Unter den 16 Bundesländern ist Hamburg in der Schulpolitik sogar eher auf der vorsichtigen Seite.

Das gilt auch für die Sicherheit. Alle Schul-Beschäftigten dürfen sich jederzeit und ohne Anlass bei ihrem Hausarzt kostenlos auf Corona testen lassen. Das ist ein großes Privileg, das es nicht in vielen Bundesländern gibt. Für alle Beschäftigten hat Hamburg zudem seit den Sommerferien kostenlose Mund-Nasen-Bedeckungen, seit November sogar kostenlose medizinische Masken mit FFP-2-Standard verteilt; mittlerweile knapp 400.000 Masken. Darüber hinaus hat Hamburg den Schulen knapp fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die Lüftung der Klassenräume zu verbessern. Einzelne dieser Maßnahmen gibt es auch in anderen Bundesländern, aber nur sehr selten werden alle zusammen umgesetzt.

Selbstverständlich gilt in allen Schulen eine Maskenpflicht. Das war allerdings nicht von Anfang an so. In Übereinstimmung mit den anderen Bundesländern wurde die Maskenpflicht an den Schulen schrittweise erweitert. Aber auch hier galt und gilt: Hamburg ist in der Regel etwas vorsichtiger als die meisten anderen Länder.

Große Schritte wurden zudem in der Digitalisierung der Schulen unternommen. Hatten vor der Corona-Krise nur 16 Prozent aller staatlichen Schulen in Hamburg WLAN in den Klassenräumen, so sind es jetzt 72 Prozent. Vor der Krise verfügten 20 Prozent über gute Lernprogramme, jetzt 75 Prozent. Vor der Krise gab es rund 17.000 Laptops und Tablets für Schülerinnen und Schüler, jetzt 62.000. Das sind dramatische Fortschritte in nur neun Monaten, für die sonst drei bis vier Jahre veranschlagt worden wären. Und dennoch ist die Kritik berechtigt, dass 100 Prozent noch nicht erreicht sind. Klar ist aber auch: Hamburg liegt überall an der Spitze oder in der Spitzengruppe aller Bundesländer.

Wie geht es nun weiter?

Die Schulen können dann wieder geöffnet werden, wenn die Infektionsgefahr deutlich gesunken ist. Leider hat der Lockdown trotz der Schulschließungen diesen Erfolg bislang nicht gebracht. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sollte jedoch der Grundsatz gelten: Beim Lockdown sind Schulen und Kitas als letzte dran, bei Öffnungen als erste. Denn in Schulen und Kitas entscheidet sich nicht nur der individuelle Lebensweg und die Zukunft von Kindern und Jugendlichen, sondern ganz erheblich auch die Zukunft unserer Stadt.

Der Autor

Ties Rabe ist seit März 2011 Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung. Zuvor war er seit 2008 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.

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