Hamburg hat bereits im März 2012, mit der Einführung der Versicherungskarte der AOK-Bremen/Bremerhaven für Flüchtlinge früh neue Standards gesetzt. Das medizinische Hilfesystem wird erfolgreich neu organisiert. Mit zusätzlichen Angeboten wird die medizinische Versorgung auch einen wertvollen Beitrag zur Integration leisten.
Die medizinische Versorgung von Flüchtlingen beginnt bei Ankunft in der zentralen Erstaufnahme mit der im Asylverfahrensgesetz unter § 62 vorgeschriebenen Erstuntersuchung, in der es insbesondere um das Erkennen bzw. Behandeln von Infektionskrankheiten wie z.B. Tuberkulose geht. Gleichzeitig wird hier der Impfstatus erfragt und ggf. ergänzt. In Hamburg gehören auch Grippeschutzimpfungen zum Angebot. Da die Umverteilung in andere Bundesländer aktuell verzögert stattfindet, werden alle in Hamburg ankommenden asylsuchenden Flüchtlinge in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung untersucht.
Allgemeinmedizinische Sprechstunden und Gesundheitskarte
Die gestiegene Zahl von Flüchtlingen stellt unsere medizinischen Einrichtungen vor eine große Herausforderung. Um die Krankenhäuser, wie auch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zu entlasten, wird inzwischen in allen Erstaufnahmeeinrichtungen eine allgemeinmedizinische Basisversorgung angeboten. Diese wird in Abstimmung mit der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) durch das Gesundheitsamt Altona koordiniert. Unter Leitung der BGV wurden in einer behördenübergreifenden Koordinierungsgruppe einheitliche fachliche Standards für die Sprechstunden erarbeitet, die sowohl für den Umfang der Versorgung, wie auch für die Ausstattung mit Medikamenten, Hilfsmitteln und Räumlichkeiten gelten.
Diese allgemeinmedizinischen Sprechstunden sollen die medizinische Versorgung der Flüchtlinge bis zu ihrer Erfassung und Anmeldung bei der AOK Bremen/Bremerhaven verbessern und sind eine erste und direkte Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen. Bereits seit März 2012 hat Hamburg als eines von zwei Bundesländern die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. Hierüber bekamen Flüchtlinge einen diskriminierungsfreien Zugang zu niedergelassenen Ärzten, Therapeuten und Krankenhäusern und die Leistungserbringer im Gesundheitswesen können auf die bewährten Abrechnungsverfahren der Krankenkassen zurückgreifen. Das erleichtert das Verfahren für alle Beteiligten und führt zudem zu relevanten Einsparungen bei den Verwaltungskosten. Flüchtlinge können mit der Karte alle Leistungen erhalten, die auch ein gesetzlich Versicherter erhält. Ausgenommen sind Leistungen, die auch ein gesetzlich Versicherter nur auf Antrag erhält. Hierzu gehören bspw. Zahnersatz oder längerfristige psychotherapeutische Behandlungen. Diese müssen von der Sozialbehörde genehmigt werden.
Psychologische und psychotherapeutische Betreuung – Trauma Behandlung
Derzeit etabliert sich die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern mit Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie und Erstaufnahmeeinrichtungen. So bieten einzelne Krankenhäuser vor Ort in Erstaufnahmeeinrichtungen regelmäßig psychiatrische Sprechstunden ihrer Institutsambulanzen (PIA) an, weitere Angebote sind im Aufbau. In Hamburg ist darüber hinaus ein wertvolles Netzwerk sehr engagierter und erfolgreich in diesem Bereich tätiger Träger und Initiativen – wie Haveno, Traumaambulanz UKE, Flüchtlingszentrum, MediBüro und Clearingstelle – entstanden.
Um Zugänge zu erleichtern und eine schnelle Beratungs- und Behandlungsmöglichkeit zu gewährleisten, wollen wir in Hamburg ein koordinierendes Zentrum aufbauen, dass diese Initiativen bündelt und stärkt, so haben wir es mit unserem Koalitionspartner vereinbart. Leider ist festzuhalten, dass Flüchtlinge vielfach bedrohlichen und traumatisierenden Situationen ausgesetzt waren sowohl in Ihren Heimatländern, aber auch durch die Umstände ihrer oft monatelangen Flucht. Die Chronifizierung nicht behandelter posttraumatische Belastungsstörungen verstetigt nicht nur weiteres – unnötiges- Leid der Betroffenen. Untätigkeit birgt auch hier die Gefahr hoher Folgekosten für die Gesellschaft, vor allem durch langfristige Arbeitsunfähigkeit und delinquentes Verhalten. Spracherwerb und Ausbildung, sind nur bei ausreichender (psychischer) Gesundheit möglich. Damit leistet die medizinische Versorgung von Flüchtlingen immer auch einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Integration.
Besondere Schutzorte
Wir alle wissen, dass das Tempo in dem Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden mussten und müssen, immer auch zu Bedingungen führen kann, die nicht mit unseren eigenen Ansprüchen vereinbar sind. Vor diesem Hintergrund kommt besonderen Schutzorten für allein reisende Frauen, Schwangere und Mütter eine besondere Rolle zu. Das Asklepios Klinikum Harburg hat als erstes Krankenhaus in Hamburg, einen leer stehenden Bettentrakt für die Erstunterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.
Das Angebot richtet sich vornehmlich an jene, die medizinisch versorgt werden müssen: an Schwangere, die hier mit ihren Familien unterkommen können, an chronisch Kranke und Behinderte. Insgesamt finden 90 Menschen auf den beiden übereinander liegenden Stationen Platz. Die Bewohnerinnen und Bewohner profitieren vor allem von der Lage ihrer Unterkunft – in unmittelbarer Nachbarschaft zu Gynäkologie und Medizinischer Klinik. Das Albertinen-Diakoniewerk wird ab Mitte Januar 2016 vorübergehend ein Gebäude auf dem Gesundheitscampus Volksdorf an der Farmsener Landstraße für die Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Rund 65 Plätze für die Versorgung von allein reisenden Frauen, Schwangeren und Müttern mit kleinen Kindern werden hier entstehen. Aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses, auch aufgrund der oftmals belastenden Erfahrungen durch die Flucht, ist geplant, in dem Gebäude ausschließlich diese Personengruppe unterzubringen. Durch die räumliche Nähe zum Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus mit seiner Geburtshilfe schafft perfekte Rahmenbedingungen für die Versorgung von Frauen vor- und nach der Entbindung.
Es ist gut und wichtig, dass sich derzeit alle Beteiligten um weitere Standorte bemühen! Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen in Hamburg vergleichsweise gut aufgestellt ist und die wesentlichen Herausforderungen systematisch angegangen werden. Und schließlich: Auch für diesen Bereich gilt, dass wir auf Unterstützung durch Ehrenamtliche angewiesen sind und weiter für das gesellschaftliche Engagement werben müssen.
Die Autorin
Sylvia Wowretzko ist Diplom Sozialwirtin und arbeitet in der Behörde für Soziales, Arbeit und Integration als Referentin für Zuwanderung. Sie ist seit 2011 in der Bürgerschaft. In der Fraktion ist sie Sprecherin für Gesundheit und Mitglied in den Ausschüssen für Gesundheit, Haushalt und Eingaben. Daneben ist sie Mitglied bei ver.di und im SoVD sowie stellvertretende Vorsitzende des Abendroth-Hauses.