Eine offene und faire Impfpflicht-Debatte

Berlin direkt: Die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoğuz über die aktuellen Pläne zu einer allgemeinen Impfpflicht

Seit zwei Jahren beschäftigt uns nun die Corona-Pandemie und schränkt unseren Alltag nach wie vor ein. Seit zwei Jahren jonglieren wir zwischen 3G, 2G oder 2G-Plus und stellen uns auf neue Virusvarianten ein – zuletzt die hochansteckende Omikron-Variante, die glücklicherweise weniger schwere Krankheitsverläufe verursacht hat als zunächst befürchtet.

Niedrige Impfquote

Die Freiwilligkeit bei der Corona-Impfung hat leider zu keiner ausreichend hohen Impfquote geführt. Seit Beginn der Pandemie ist sie in Deutschland mit etwa 72 Prozent im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eher niedrig. Deshalb haben wir im Bundestag zum Schutz der besonders vulnerablen Gruppen, also den Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ein besonders hohes Infektionsrisiko und ein besonders hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, mehrheitlich eine Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen beschlossen. Auch der Bundesrat hat dem zugestimmt.

Kontroverses Thema

Um aus dieser „Corona-Dauerwelle“ herauszukommen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz schon vor der berufsbezogenen Impfpflicht eine allgemeine Impfpflicht in Aussicht gestellt, über die wir Bundestagsabgeordneten in den nächsten Wochen eine Entscheidung treffen müssen. Doch sowohl die berufsbezogene als auch die allgemeine Impfpflicht werden so kontrovers diskutiert wie kaum ein anderes Thema. Die Ankündigung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die sogenannte Pflege-Impfpflicht auszusetzen, hat in dieser Debatte den bisherigen Tiefpunkt gesetzt. Sie nicht umzusetzen, wäre ein glatter Rechtsbruch.

Wirksamstes Instrument zur Pandemiebekämpfung

Klar ist: Die Impfung ist das vielleicht wichtigste und wirksamste Instrument, damit unsere Gesellschaft und jede und jeder Einzelne von uns zurück in ein normaleres Leben finden kann. Gerade wegen der hohen Lasten, die fast alle von uns, nicht zuletzt aber unsere Kinder, aufgrund der zum Teil erheblichen Freiheitsbeschränkungen zu tragen haben, ist es für mich unverständlich, wenn sich immer noch so viele Menschen nicht impfen lassen wollen. Natürlich gibt es auch diejenigen, für die eine Impfung aus gesundheitlichen oder anderen wichtigen Gründen nicht in Frage kommt. Aber wir müssen eben auch zur Kenntnis nehmen, dass bei vielen Bürger:innen nach wie vor erhebliche Vorbehalte bestehen und sie sich auch nicht überzeugen lassen.

Offene und faire Debatte

Und wir können nicht ignorieren, dass zu Frust und Enttäuschung vieler Bürger:innen eine nicht immer geglückte, zum Teil sogar widersprüchliche und chaotische Kommunikation der Politik mit beigetragen hat. Wir schulden den Menschen in unserem Land eine offene und faire Debatte über diese wichtige Frage. Und wir müssen auch Sorge dafür tragen, dass vorher wirklich alle anderen Möglichkeiten zur Erhöhung der Impfquote ausgeschöpft sind.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für den möglicherweise wichtigsten Aspekt der laufenden Debatte, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in freier Entscheidung über die Impfpflicht abstimmen können. Wünschenswert wäre es, dass dies auf einer möglichst breiten Grundlage geschieht.

Die Autorin

Aydan Özoğuz ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Zwischen 2001 und 2008 war sie Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit 2009 sitzt sie für den Wahlkreis Hamburg-Wandsbek im Deutschen Bundestag.

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