Alle ziehen an einem Strang

W.I.R (work & integration for refugees) macht seinen Namen zum Programm. Das in Hamburg entwickelte Verfahren hilft Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Im vergangenen Jahr sind rund eine Million Menschen zu uns nach Deutschland geflüchtet. Neben dem schnellen Zugang zu Bildung für die Kinder und Jugendlichen sowie die Ausweitung der Deutsch- und Integrationskurse, steht inzwischen die Frage nach Zugang zu Arbeit im Zentrum unserer Bemühungen.

Chance nutzen

Gerade mit Blick auf den bereits existierenden Fachkräfteengpass in manchen Branchen sowie in der Erwartung, dass rund fünf Millionen Erwerbstätige in den nächsten Jahren in Rente gehen werden, sehe ich in der Zuwanderung eine Chance, sowohl für die Geflüchteten als auch für unsere Wirtschaft.

Um diese Chance zu nutzen, müssen wir ihre Talente und Fähigkeiten sorgsam erheben, passende Qualifizierungsangebote machen und die Geflüchteten so fit machen, dass sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt bestehen.

Der Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge wurde in den letzten Monaten durch gesetzliche Veränderungen deutlich verbessert. Der Wegfall der Vorrangprüfung ist dabei ebenso wichtig wie der gesicherte Aufenthalt während einer Berufsausbildung. Beide Verbesserungen gehen auf Hamburger Initiativen zurück.

Zugang zu Arbeit

Denn eines ist klar: Gerade für die geflüchteten Menschen ist ein schneller und guter Zugang zu Arbeit von existentieller Bedeutung. Sie wollen für sich und ihre Familien eine neue Zukunft aufbauen – hier in Frieden. Dafür wollen sie nicht abhängig sein von staatlicher Unterstützung sondern möchten ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften.

Den richtigen Ansprechpartner im Geflecht der hiesigen Anerkennungs-, Qualifizierungs- und sonstigen Arbeitsmarktakteure zu finden, fällt vielen Menschen nicht leicht; Für Geflüchtete aber, ist das noch einmal eine besondere Herausforderung. Um sie bei ihrer Suche nach Arbeit zu unterstützen, brauchen wir leistungsstarke Verfahren, die auf die Arbeitsvermittlung durch Agentur und Jobcenter vorbereiten.

Beratung aus einer Hand

Hamburg hat bereits im Sommer letzten Jahres das Verfahren “W.I.R – work & integration for refugees” entwickelt, das alle Arbeitsmarktpartner sowie freie Träger der Flüchtlingshilfe nach dem Vorbild unserer Jugendberufsagentur unter einem Dach vereint. Sie bündeln ihre Kompetenzen an einem Standort und suchen gemeinschaftlich nach individuellen Lösungen.

Das Besondere an unserem Verfahren: Es ist kein Sonderprojekt. Es integriert bestehende Instrumente der Jobvermittlung und bündelt sie an einer Stelle. Der Name „W.I.R“ ist dabei Programm: alle ziehen an einem Strang. Das ist das Besondere an unserem Verfahren.

Die Anlaufstelle auf St. Pauli bietet seit September 2015 eine umfangreiche Beratung, Betreuung und Unterstützung mit dem Ziel, Geflüchtete möglichst schnell in Ausbildung, Studium und Beschäftigung zu integrieren. Das Angebot richtet sich an alle erwerbsfähigen Flüchtlinge in Hamburg mit guter Bleibeperspektive, die noch keine Leistungen des Jobcenters beziehen.

In der Lebenslagenberatung vom Flüchtlingszentrum Hamburg sowie von AQtivus wird zunächst geschaut, wie die gegenwärtigen Lebensumständen sind. Teil dieser Beratung kann auch eine Gesundheitsberatung sein, insbesondere für jene Geflüchtete, die Zeichen einer Traumatisierung erkennen lassen.

An die Lebenslagenberatung schließt sich die berufsbezogene Beratung durch Agentur für Arbeit und Jobcenter team.arbeit.hamburg an. Liegen bereits ausreichende Sprach- und berufliche Kenntnisse inkl. auch in Deutschland anerkannter Zeugnisse vor, erfolgt sofort der Übergang in die reguläre Arbeitsvermittlung. Dies ist aber nicht die Regel.

Der Integrationsplan

In den meisten Fällen wird stattdessen ein Integrationsplan erstellt. Darin wird festgehalten, welche Instrumente des Regelsystems genutzt werden müssen, damit der Geflüchtete zügig in die Arbeitsvermittlung übergehen kann. Hierzu gehören: Sprach- und Integrationskurse des BAMF oder des landesfinanzierten Programms, Anerkennungsverfahren bei der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung der Diakonie, praktische Anerkennung beruflicher Qualifikation über das Projekt “Mission Zukunft” am Elbcampus der Handwerkskammer und und und … Der Integrationsplan wird Dank der am Verfahren beteiligten freien Träger zu großen Teilen innerhalb von W.I.R erfüllt. So können wir – wie bei der Jugendberufsagentur – durch eine Art “Laufzettel” und einer einzigen Anlaufstelle für kurze und klar verständliche Wege sorgen.

Schnittstelle zu den Unternehmen

Außerdem gibt es einen Unternehmensservice von W.I.R, der die Schnittstelle zu den Unternehmen ist, die Ausbildungs- oder Arbeitsplätze bzw. Praktika für Flüchtlinge bereitstellen. Hier engagieren sich auch die Handwerks- und die Handelskammer sowie der Unternehmensverband Nord.

Bislang wurden rund 2.200 Geflüchtete bei W.I.R beraten. Aus einer händischen Auswertung können wir entnehmen, dass bisher überwiegend Männer in die Beratung kommen. Gegenwärtig arbeiten wir daran, wie wir die Frauen besser erreichen können. Klar erkennbar ist auch: rund 60 Prozent der bereits im W.I.R-Verfahren gezählten Personen verfügt über eine langjährige Berufserfahrung im Heimatland, auf die aufgebaut werden kann. Wer sich für das Verfahren interessiert und Ansprechpersonen sucht, findet unter www.hamburg.de/wir weiterführende Informationen.

Die Weiterentwicklung des Verfahrens nach der Einrichtung des Ankunftszentrums in Rahlstedt läuft. Im Ankunftszentrum soll direkt nach der Ankunft und ersten Registrierung die Aufnahme in W.I.R für qualifizierte Geflüchteten erfolgen. So sparen wir noch mehr Zeit und können in Hamburg mit der Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten bereits unmittelbar nach deren Ankunft beginnen.

Die Autorin

Melanie Leonhard ist Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg und Vorsitzende der SPD Hamburg. Die promovierte Historikerin kommt aus Hamburg-Harburg.

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